Drei hervorstechende Themen konnten durch die Analyse der Interviews identifizierten werden: Erstens war der soziale Zusammenhalt eine wichtige Motivation für die Einhaltung von Einschränkungen. Viele Teilnehmende waren im Sinne des Gemeinwohls bereit, Einschränkungen einzuhalten und wollten Risikogruppen vor einer Infektion schützen. Gleichzeitig zeigten widersprüchliche Bedürfnisse Grenzen der Einhaltung von Restriktionen auf: Zum Beispiel beschrieben einige Teilnehmende schwierige Entscheidungen, ob sie ältere Bekannte und Verwandte vor Ansteckung schützen sollten, indem sie sich von ihnen fernhielten, oder sie durch regelmäßige Besuche aus ihrer sozialen Isolation befreien sollten.
Zweitens reflektierten die Teilnehmenden auch die Konsequenzen der Befolgung oder Nichtbefolgung von verordneten Maßnahmen. Sie taten dies sowohl auf der individuellen Ebene (z. B. die Folgen einer individuellen Infektion) als auch auf einer gesellschaftlichen Ebene (z. B. die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen).
Das dritte Thema betraf die Eigenverantwortung: Einige Teilnehmende sahen die Einhaltung von geltenden Regeln als eine Frage des Prinzips an. Andere wiederum betonten, wie wichtig es ihnen wäre eine eigene Risikobewertung durchzuführen. Diese Teilnehmenden drückten oft den Wunsch nach Nachweisen und Erklärungen zur Wirksamkeit und zu den Gründen hinter den verordneten Maßnahmen aus.
Damit einschränkende Maßnahmen ihre Wirksamkeit entfalten können, müssen sie von der Öffentlichkeit eingehalten werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, Wege zu finden, um trotz zunehmender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme während der Pandemie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu fördern. Die gelebte Überzeugung Einzelner darüber, dass regelkonformes Verhalten dem Gemeinwohl diene, wirkt sich positiv auf die Bereitschaft aus, persönliche Opfer zu bringen. Gleichzeitig haben die Menschen gegensätzliche Präferenzen in Bezug auf Regeln und Informationen: Während die einen strikte Regeln bevorzugen, an die sie sich halten können, bevorzugen andere den Freiraum, die Pandemieempfehlungen auf ihre persönliche Situation anwenden zu können.
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Dieser Blogbeitrag wurde von Bettina Zimmermann geschrieben und von Nora Hangel überarbeitet. Die deutschsprachige Originalversion erschien am 28.4.2021 auf der SolPan-Homepage der Technischen Universität München: http://www.get.med.tum.de/solpan
Die englischsprachige Publikation, auf deren Ergebnisse sich der Blogbeitrag bezieht, ist im April 2021 im International Journal of Health Policy and Management erschienen. AutorInnen: Bettina Zimmermann, Amelia Fiske, Stuart McLennan, Anna Sierawska, Nora Hangel, Alena Buyx: https://www.ijhpm.com/article_4035.html